
Das Weinviertel, altertümlich Viertel unter dem Manhartsberg, ist eine Region im Nordosten von Niederösterreich.
Seit der Bildung der Politischen Bezirke 1868 haben die Viertel in Niederösterreich keine rechtliche Grundlage mehr und sind reine Landschaftsbezeichnungen. Dabei wurde die ältere Kreiseinteilung ersetzt, die sich noch an den alten Vierteln orientierte.
Der Name „Weinviertel“ ist seit etwa einem Jahrhundert gebräuchlich: Das Weinviertel ist Österreichs größtes Weinbaugebiet. Es entspricht weitgehend einer der Hauptregionen des Landes (Hauptregion Weinviertel bzw. Europaregion Weinviertel, als Teil der Euregio Weinviertel-Südmähren-Westslowakei).
Gewässer
Mitunter aufgrund der niedrigen Niederschläge gibt es heutzutage im Weinviertel nur relativ wenige Feuchtgebiete und die Landschaft gilt als ausgesprochen trocken. Das war jedoch nicht immer so: während Erhebungen auch früher trocken-warmen Biotope beherbergten, erstreckten sich in den Niederungen entlang von Pulkau, Thaya, Zaya, Schmida, Göllersbach, Weidenbach, Stempfelbach, Rußbach und anderer Bäche einst ausgedehnte Feuchtgebiete mit Schilf- und Röhrichtflächen.
Ab dem Spätmittelalter schuf der Mensch weitere Gewässer oder vergrößerte bestehende Feuchtgebiete durch den Bau von Fischteichen und die Anlage von Mühlen samt Wehranlagen. Die ersten Fischteiche wurden Ende des 14. Jahrhunderts angelegt, die Mehrzahl im 15. und 16. Jahrhundert. Die Teichfläche im Weinviertel übertraf während der Blütezeit der Fischzucht im 17. Jhdt. jene im Waldviertel. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte das Weinviertel noch einen Anteil von 64 % an der Fischzucht im Lande, das Waldviertel hingegen nur 31,5 %. Die Wasserkraft wurde durch Mühlen ausgiebig genützt, an der Zaya befanden sich einst fast 50 davon, im Schnitt alle 1,2 km eine. Zur Zeit des Böhmischen Kriegs brach die Teichwirtschaft ein und konnte danach nie wieder das zuvor innegehabte Niveau erreichen. Der Betrieb von Teichen war nicht mehr so lukrativ wie früher, daher wurden diese nach und nach abgelassen. Größere Anlagen bestehen heute nur mehr in Bernhardsthal, Katzelsdorf und Nexing.
Im Waldviertel hingegen war dies aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse nicht vorteilhaft, weshalb sich dort viele Teiche bis heute erhalten haben. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wurde damit begonnen, Gewässer zu begradigen und abzusenken. Die Bäche und Flüsse wurden zu Abzugsgräben degradiert, deren Aufgabe es ist, das Wasser möglichst schnell abzuleiten. Dies sollte einerseits die Siedlungen gegen Hochwässer schützen und vor allem eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung des Flussumlands ermöglichen. Wurden früher feuchte Wiesen mit Zugtieren wie Pferden und Ochsen beweidet, so wurde mit steigender Technisierung der Landwirtschaft eine ackerbauliche Nutzung angestrebt. Durch diese Maßnahmen des Menschen wurde seitdem die Anzahl der Feuchtgebiete drastisch reduziert. Nachdem bereits im 18. Jahrhundert einige Großgrundbesitzer damit begonnen hatten, wurden vor allem im 19. und 20. Jahrhundert mit finanzieller Unterstützung des Landes großflächig Flächen – etwa 14.000 Hektar – entwässert um die landwirtschaftlicher Produktivität steigern zu können. Um den Einsatz immer größerer landwirtschaftlicher Geräte zu ermöglichen, wurden Kleinstrukturen wie Raine, Terrassen, Ackerstufen, Grünflächen und Feldgehölze entfernt und so der Wasserrückhalt verringert und die Bodenerosion bei Regenfällen begünstigt. Auch vorhandene Tränken, Schwemmen und Teiche zur Eisgewinnung wurden großteils beseitigt, der Grundwasserspiegel deutlich abgesenkt und das Weinviertel zu einem weitgehend trockenen Landstrich gemacht. Wertvolle Lebensräume wurden zerstört, wodurch viele Pflanzen- und Tierarten ihre Lebensgrundlage verloren.
Neben den Donau- und Marchauen gibt es heute im Weinviertel nur mehr im Pulkau- und Thayatal größere Sumpfflächen. Da Feuchtgebiete und Nebengewässer bei Hochwässern als Vorfluter dienen und die Hochwasserspitze in den gewässerabwärts gelegenen Orten dämpfen, wurde durch die Maßnahmen die Hochwassergefahr vielerorts verschärft. Ab Ende des 20. Jahrhunderts wurde daher – wieder mit finanzieller Unterstützung des Landes – versucht die ökologische und Hochwassersituation durch den Bau von Retentionsräumen, Gewässeraufweitung, Schaffung von Kleingewässern und Erhöhung der Strukturvielfalt in Flussbetten und Uferbereichen wieder zu verbessern.
Klima
Das Weinviertel gehört zum relativ trockenen pannonischen Klimagebiet mit kalten Wintern und heißen Sommern. Die Jahresmitteltemperatur liegt in Retz bei 10,3 °C und in Poysdorf bei 10,4 °C. Die mittleren Jahressummen der Niederschläge betragen nur zwischen 500 und 600 Millimeter. Die Dauer der Schneedecke in Retz beträgt etwa 30 Tage und es gibt rund 81 Frosttage, in Poysdorf hingegen beträgt etwa die Dauer der Schneedecke 25 Tage und es gibt rund 87 Frosttage. Die Sonnenscheindauer in Retz beträgt in etwa 1900 Stunden und in Poysdorf an die 2000 Stunden.
Fauna und Flora
Floristisch gesehen zählt das Weinviertel zur Pannonischen Florenprovinz, Teil der Südsibirisch-Pontisch-Pannonischen Florenregion, weshalb sich die Vegetation stark von den westlicheren Teilen Österreichs unterscheidet und entsprechend einzigartig und schützenswert ist. Neben spezifisch pannonischen Arten (z. B. Waldsteppen-Wermut am Bisamberg) treten auch solche auf, welche ihr Hauptverbreitungsgebiet viel weiter östlich haben, und hier – teilweise als Relikte der Kaltzeiten – ihre westliche Verbreitungsgrenze erreichen (z. B. Tátorján-Meerkohl bei Ottenthal). Zudem ist ein deutlicher submediterraner Einfluss erkennbar, da trocken-warmen Sommer auch dort bezeichnend sind und submediterrane Arten wie Flaum-Eiche und Diptam daher auch im pannonischen Gebiet gut gedeihen. Ohne menschlichen Einfluss wäre das Gebiet vermutlich bewaldet, wurde aber durch Rodung und jahrhundertelange Nutzung (Ackerbau, Beweidung) waldfrei gehalten. Durch die extensive Beweidung durch Nutztiere entstanden großflächig sekundäre Steppen, welche nach der Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts großteils zerstört wurden und nur mehr in Ansätzen erhalten geblieben sind. Neben dem trocken-warmen Klima sind auch die Bodenverhältnisse für die Vegetation prägend: weite Teile des Weinviertels sind mit Löss bedeckt, einem Sediment, das während der Kaltzeiten vom Wind verfrachtet und abgelagert wurde. Entlang der Waschbergzone ist das Kalkgestein prägend, welches Substratsteppen über dem seichtgründigen Boden entstehen ließ. Im Marchfeld gibt es über während der letzten Eiszeit und Nacheiszeit abgelagerten Sanden, die aus den Flüssen, insbesondere der Donau, ausgeweht wurden, eine spezifische Sandvegetation (z. B. Sandberge bei Oberweiden). Bei Zwingendorf und Baumgarten an der March existieren kleinräumig interessante Salzstandorte, über entsprechend salzhaltigen Böden
Auch die Fauna im Weinviertel unterscheidet sich von jener in den westlicheren Landesteilen. So tritt im Weinviertel ausschließlich der Nördliche Weißbrustigel (Ostigel) auf, der rund 200 Kilometer westlich seine Verbreitungsgrenze erreicht und dort, nach einem Bereich der Überlappung, vom Braunbrustigel (Westigel) abgelöst wird.
Weinbau
Durch das Pannonische Klima und die Lößböden eignet sich das Weinviertel besonders für den Weinbau. Das Weinviertel ist mit ca. 15.800 ha das größte Weinbaugebiet Österreichs. Bekannte Weinorte sind Röschitz, Retz, Haugsdorf, Falkenstein, Poysdorf, Herrnbaumgarten, Wolkersdorf und Mannersdorf/March. Die Weinanbaugebiete und -Orte werden unter der 400 km langen "Weinstraße Weinviertel" zusammengefasst. Rund um die Weinstadt Retz – mit dem Retzer Erlebniskeller und der Windmühle als Touristenort bekannt – gedeihen seit jeher auch Rotweine bestens. Das trockene, niederschlagsarme Klima begünstigt die Rotweinerzeugung.
Folgende Rebsorten werden hauptsächlich angebaut:
- Grüner Veltliner – Leitrebsorte im Weinviertel
- Weißburgunder
- Welschriesling
- Zweigelt
- Blauer Portugieser
Seit 2003 existiert der Weinviertel-DAC. Er steht für gebietstypisch ausgebauten „Grünen Veltliner“ mit pfeffrigem Geschmack.
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